ReThink: Projekt zur Demokratieförderung

„ReThink – Freiheit beginnt im Kopf“: Ein Projekt zur Demokratieförderung und Extremismusprävention an der FOS Germering

Ein scheinbar nicht enden wollender Krieg in der Ukraine, Trump als neuer US-Präsident mit autokratischen Zügen, sein neues Regierungsmitglied Elon Musk, der mit einer Hitergruß-Geste schockiert, der Krieg in Gaza, zunehmender Antisemitismus in Deutschland und Europa, die AfD, die mit der Angst vor dem Verlust „deutscher“ Identität spielt und alte Rollenbilder propagiert. All diese Nachrichten symbolisieren die tiefe Krise, in der unsere Demokratien stecken. Und mit ihnen wird unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zunehmend in Frage gestellt.

Und genau deswegen fand kurz vor der Bundestagswahl am 07. und 21.  Januar 2025 für die 13. Klassen der FOS Germering das Projekt „ReThink – Freiheit beginnt im Kopf“ statt, das sich zum Ziel gesetzt hat, Demokratie zu fördern und Extremismus vorzubeugen. Die Initiative wurde von Ahmad Mansour gegründet, einen der führenden Experten auf diesem Gebiet. Er möchte Jugendlichen helfen, ihre Identität zu reflektieren, über gesellschaftliche Normen nachzudenken und kritisches Denken zu fördern. Dabei geht es ihm nicht um Belehrung mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern um Dialog.  

Ein zentrales Element des Projekts sind Rollenspiele, die die Jugendlichen aktiv einbeziehen, um anhand von Alltagssituationen auf patriarchale Strukturen, Unterdrückung und Bevormundung, aber auch auf Antisemitismus oder Rassismus aufmerksam zu machen, die dem ein oder anderen so oder so ähnlich durchaus aus ihrem eigenen Leben bekannt sind.  Diese Szenen bieten einen Anreiz zur Diskussion und helfen Jugendlichen, sich in verschiedene Perspektiven hineinzuversetzen und sie zu verstehen.

Ein Beispiel für ein solches Rollenspiel zeigt einen Vater, der versucht, seinen Sohn, der die Schule abgebrochen hat und viel Zeit mit Videospielen verbringt, zu motivieren, ein „geordnetes Leben“ zu führen. Der emotionale Druck des Vaters führt zu einer angespannten Situation, in der der Sohn verängstigt ist. Die Schüler diskutieren nicht nur den Generationenkonflikt und die unterschiedlichen, zum Teilen veralteten Lebenskonzepte, sondern auch wie die Interaktion und Kommunikation zwischen beiden auch gelingen kann.

In einem anderen Rollenspiel wird ein Paar dargestellt, das sich über das Posten von Bildern auf Instagram streitet. Der Mann ist eifersüchtig aufgrund der Freizügigkeit seiner Freundin und fordert sie auf, ein Bild zu löschen, das von einem ihm unbekannten Mann geliked wurde. Die Situation eskaliert und beide löschen schließlich frustriert und wütend ihre Accounts. Auch hier erkennen unsere Schüler, dass es in dieser Beziehung an Vertrauen mangelt und dass gegenseitige Verbote nicht das geeignete Mittel sind, um Vertrauen und gegenseitigen Respekt zu schaffen. Lösungen entwickeln unsere Schülerinnen und Schüler in der Rolle des Paartherapeuten und schaffen so das Bewusstsein für gesunde Beziehungen und die Bedeutung von Vertrauen.

In einem Land, das von Migration geprägt ist, ist es kein Wunder, dass die „ReThink“-Gruppe auch die Angst vor Identitätsverlust thematisiert, wenn ein Vater mit Migrationsgeschichte seinen Sohn vor die Wahl stellt: „Entweder deine Familie oder deine deutsche Freundin“.  Die Schülerinnen und Schüler versetzen sich in die unterschiedlichen Perspektiven und erarbeiten somit die Basis, solche oder ähnliche Konflikte zu lösen, denn oft fehlt es einfach an gegenseitiger Wahrnehmung für die Ängste und Sorgen des anderen, die sich all zu oft auflösen, wenn man allein schon über sie spricht, sie akzeptiert und respektiert.

In einem letzten Szenario wartet ein Freund auf seinen Kumpel, der ihn schon das letzte Mal versetzt hat. Sein Freund entschuldigt sich für das verpasste Treffen in der letzten Woche und erzählt ihm, dass er bei einem Familienfest eines Freundes eingeladen war.  Als sich herausstellt, dass dieses Fest ein jüdisches Fest gewesen ist, entfacht eine Diskussion, ob es in Ordnung sei, mit einem Juden befreundet sein zu können. Das Team von „ReThink“ leitet mit dieser Szene in eine Diskussion über moderne Formen von Antisemitismus. Die Jugendlichen erkennen schnell, dass Antisemitismus eigentlich nur als Ventil für den Frust aufgrund des geplatzten Treffens dient. Anstatt sich mit dem echten Konflikt zwischen den beiden auseinanderzusetzen, wird die Diskussion auf einen Sündenbock gelenkt, an den man leicht seine Wut auslassen kann, ohne sich dabei mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen. Schnell benennen unsere Schülerinnen und Schüler nach wie vor gängige Stereotypen und Narrative gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, die zu Hass, Gewalt und Ausgrenzung führen. Und schnell wird auch darüber diskutiert, dass oft Menschen jüdischen Glaubens als Stellvertreter für die israelische Politik fungieren, für die sie doch eigentlich überhaupt nichts können. Das Gespräch verselbstständigt sich und die Schülerinnen und Schüler überlegen, inwiefern Herkunft, Kultur, ja sogar unterschiedliche politische Meinungen Beziehungen, Freundschaften oder auch nur Bekanntschaften in zwei Lager spalten können. Und was kann man gegen diese gesellschaftliche Spaltung tun? „Wie wär‘s mal mit Zuhören und mal schauen, ob wir gemeinsame Ziele und Werte haben?“, ist eine Antwort der Jugendlichen. Auf jeden Fall aber braucht es Mut und Stärke, zu sich selbst zu stehen, aber auch für die Werte einzustehen, die es allen erlauben, sich frei und individuell zu entfalten.

Das Besondere an „ReThink“ ist die Begleitung durch die qualifizierten Teams, die eine Begegnung auf Augenhöhe schaffen und es den Jugendlichen ermöglichen, in einem vertrauensvollen Umfeld offen und ohne Be- oder gar Verurteilung über ihre Gedanken und Erfahrungen zu sprechen.

„ReThink – Freiheit beginnt im Kopf“ bietet Jugendlichen die Möglichkeit, sich mit wichtigen Themen auseinanderzusetzen und ihre eigene Identität zu reflektieren. Durch Rollenspiele, Diskussionen und persönliche Begleitung wird ein Raum geschaffen, in dem junge Menschen wachsen können. Und das ist genau das, was unsere Gesellschaft, unsere Demokratie so dringend braucht.