„Wir durften wieder in die Schule gehen. Das waren die schönsten Tage im Ghetto.“
Der jüdische Holocaust-Überlebende Abba Naor berichtete den 11. Klassen der FOS Germering von seinem Martyrium während der NS-Zeit. Dabei gewährte er den Schülerinnen und Schülern Einblicke in seine Erlebnisse, die so in keinem Geschichtsbuch zu finden sind.
Am 23. Oktober 2023 waren die 11. Klassen der FOS Germering zu Gast im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau, wo der Holocaust-Überlebende Abba Naor den Jugendlichen seine ganz persönliche Geschichte erzählte. Zu Beginn schilderte er eine unbeschwerte Kindheit in Litauen, die bald ein jähes Ende nehmen sollte. Den Schülerinnen und Schülern sagte er: „Bleibt Kinder, so lange ihr könnt!“. Er selbst wurde im Alter von nur 13 Jahren mit seiner Familie in das Ghetto Kaunas deportiert, wo sein älterer Bruder von der SS erschossen wurde. Schon bald wurde das Ghetto in ein Konzentrationslager umfunktioniert. Nach dessen Schließung im Herbst 1944 wurde die übrige Familie unter menschenunwürdigen Bedingungen ins KZ Stutthof in der Nähe von Danzig deportiert. Dort wurde Abba Naor von seinem Vater getrennt und musste mitansehen, wie seine Mutter und sein jüngerer Bruder nach Auschwitz-Birkenau abtransportiert wurden. Er sah die beiden nie wieder. Um den Schülerinnen und Schülern den Alltag im KZ etwas zu verdeutlichen, verwies er auf ein ständiges Hungergefühl, das er empfunden habe. Die Tagesration umfasste bestenfalls eine dünne Suppe, ein Stück Brot, ein Stück Käse, mehr nicht. Da er seinen Vater im Lager Kaufering, einem Außenlager des KZ Dachaus, vermutet hat, meldete er sich hierfür freiwillig zum Dienst. „Ich war der letzte Transport, der Stutthof lebendig verlassen hat“, erzählte er den Schülerinnen und Schülern nachdenklich. Von Kaufering kam er nach Utting, wo er schwerste Zwangsarbeit zu leisten hatte. Erst im Frühjahr 1945 wurde er in Waakirchen, nachdem er den Todesmarsch überstanden hatte, von der US-Armee befreit. Dass er überlebt hat, sei reiner Zufall gewesen. Die Jugendlichen waren von den Schilderungen der Zustände in den Lagern und der Brutalität der SS-Schergen sehr ergriffen, sodass Herr Naor immer wieder darum bemüht war, die Situation etwas aufzulockern. Es war ihm wichtig, den Jugendlichen klar zu machen, dass sie als Deutsche keinerlei Schuld an den Verbrechen haben. Gleichwohl wies er sie darauf hin, welch Privileg es sei, in die Schule gehen und lernen zu können. Durch Abba Naors eindringlichen Worte wurden alle Anwesenden zum Nachdenken angeregt sowie an ihre Verantwortung erinnert, ihren eigenen Teil dazu beizutragen, dass sich etwas Derartiges nicht wiederholen wird.
(B. Plöckl)
Als Dank für seinen Vortrag überreichte der Schülersprecher Muhamed Krasniqi Herrn Naor im Namen der FOS Germering ein Plakat, auf dem die Jugendlichen mit ihrer Unterschrift das Versprechen abgegeben haben, sich jederzeit aktiv gegen jede Form von Hass und Hetze, Diskriminierung, Rassismus oder Ableismus an unserer Schule einzusetzen.